Was Wissen schafft

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Was wissen schafft, ist eine kritische Hinterfragung seiner Umwelt. Wir sind aber momentan weit entfernt von einer freien wissenschaftlichen Arbeit in der Forschung und einem freien journalistischen Arbeit

Table of Contents

Vorbetrachtung

Ich werde im gesamten Text den „Fehler“ des „Autors“ und der „Wissenschaftler“ bewusst beibehalten. Eben dieser Fehler in der Überschrift, erregte mein Interesse an der Studie, den Ersteller und der empirischen Herleitung.

Hintergrundgeschichte

Bei der Durchsicht der Nachrichten ist mir eine Meldung aufgefallen, die unser Interesse weckte. Da die getroffene Aussage auf einer Meinungsumfrage beruhte.

Gerne wenden wir die Methodik der Abstraktion an, um das Unbehagen zu verdeutlichen, was entsteht, wenn man Presse, Wissenschaft, Meinungen und deren Deutungshoheit gleichschaltet: Negieren wir doch einfach mal zum Spaß die politischen Vorzeichen zu konservativ und das Forschungsthema zu „Die anthropologische Kriminalitätstheorie“. Diese krude Theorie von Cesare Lombroso voller unwissenschaftlichen Herleitungen wird nun progressiv in der Presse verwendet, um eine nationalistische Agenda der 'Eugenik voranzutreiben. Es wird jegliche Kritik an den Ergebnissen und deren empirischen Aufarbeitung zensiert. 

Bilder von Verbrechern
Von Fondo Antiguo de la Biblioteca de la Universidad de Sevilla from Sevilla, España - "Tipi di criminali slavi e tedeschi, studiati da Kurella", CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=51655277
Plakat zu den Nürnberger Rassengesetzen


Was sollte man nun als kritischer Mensch bei solch einer Nachricht machen? Man schaut sich mal die erhobenen Daten näher an.

Die Daten

Hierbei fangen wir mal  nicht mit dem Ergebnis der Studie von der Cemas gGmbH an, sondern betrachten wir zunächst die 12 Fragen  (Umfrage1 und Umfrage2) an:

ScreeningS1 Geschlecht
S2 Alter
S3 Bundesland
Demographische VariablenQ1 Schulabschluss
Q2 Sonntagsfrage
Social Media AllgemeinQ3 Media Nutzung
Q4 Corona Berichterstattung
Coronavirus: Impfung und InfektionQ5 Impfung
Q6 Infektion
Protest und WiderstandQ7 Maßnahmen zur Eindämmung
Q8 Protestteilnahme
Corona-VerschwörungserzählungenQ9 Corona-Verschwörungserzählungen
QAnon und ReichsbürgerQ10 QAnon
Q11 Wissen QAnon
Q12 Eindruck QAnon

Zu der Umfrage gibt es eine FAQ, die schlicht ein Ausdruck der linksliberalen Phantastereien in schönster hegelscher Dialektik und der Rhetorik der kritischen Theorie geschrieben wurde.

Zu den Fragen heißt es: „Die Befragung erfolgte mittels eines standardisierten Fragebogens, der neben soziodemografischen Angaben zu Geschlecht, Alter, Schulbildung, Einkommen, politischer Einstellung und Angaben zum Impfstatus auch Messinstrumente zur Erfassung politischer und weltanschaulicher Einstellungen, der Verbreitung von Verschwörungserzählungen und des Protestgeschehens enthielt. Ein Teil der Messinstrumente wurde bereits in anderen Umfragen eingesetzt. Für einige der erfassten Daten liegen deshalb Vergleichswerte aus anderen Repräsentativbefragungen vor.“

Wir haben die Fragebögen hochgeladen (den Link zu deutschen und österreichischen Fragebogen), leider konnten wir in diesem keine Frage zum Einkommen finden. Oder hat man in Vorfeld mit dem Meinungsforscher eine Auswahl der Teilnehmer dieser Umfrage getroffen? Es ist der Auftakt voller fraglicher Erklärungen zu einer fehlerhaften Meinungsumfrage und der daraus resultierenden Studie. 

Die Befragung wurde von einen „privaten“ Forschungsinstitut online, über einen Zeitraum von fünf Tagen vom 17. Januar 2022 bis 22. Januar 2022 durchgeführt. Wer sich noch erinnert, der erinnert sich, dass in dieser Woche das „Partygate“ von Boris Johnsen oder die Debatte und Abstimmung des österreichischen Nationalrates über die Impfpflicht waren. Hier ist es denkbar, dass es zu einem Umdenken der Auswahl des Panels kommen kann, oder noch schlimmer eine Radikalisierung zum Verschwörungstheoretiker, manchmal verliert man gute Seele binnen Sekunden.

Die Meinungsmachenden

Bilendi & respondi bewerben Ihren Panels und Probanden: „Alle unsere Panels verfügen über eine Double-Opt-In-Registrierung, vielfältige Rekrutierungsquellen, Zufriedenheitsumfragen, regelmäßige Panel Cleanings, Umfragen nur auf persönliche Einladung sowie verschiedenste Qualitätsmaßnahmen, die in der Bilendi Quality Policy transparent dokumentiert sind und Ihnen zur Einsicht zur Verfügung stehen.“

„Alle unsere Panels verfügen über eine Double-Opt-In-Registrierung“

Es werden beide Seiten (Befragte und Befragende) bezahlt und es wird keine bzw. nie eine „konfliktfreie“ und ernsthafte Befragung von Bürgern und der Bearbeitung von Meinungsforschern erfolgen. Denn es besteht eine lebhafte Diskussion zu der „Grundgesamtheit“ (also die Abbildung aller Bevölkerungsschichten) bei eben diesen Online-Umfragen. Es ist für uns eben nicht denkbar, dass wirklich alle Einwohner bzw. Bevölkerungsschichten in Deutschland oder Österreich sich abbilden lassen. Oder können Sie sich vorstellen, dass es in dem Umfragepanel Ärzte, Politiker oder Beamten teilnehmen? Es ist eher davon auszugehen, dass hier Menschen teilnehmen, die sich ihrer Aufgabe bewusst sind und nur wegen den versprochenen finanziellen Anreizen sich befragen lassen. Dieses Phänomen nennt sich übrigens Selbstselektion.

Dann erscheint auch gleich der nächste Elefant im Raum, denn mit 2.202 Befragten soll eine Aussage über Deutschland (rund 83 Millionen Einwohner) und mit 1099 Personen über Österreich (8,9 Millionen Einwohner) getroffen werden.

Diagramm der deutschen Befragungsteilnehmer
Deutsche Befragte
Diagramm der österreichischen Meinungsumfrage
Österreichische Befragte

Kurz zur Erinnerung, mit diesen Daten versucht die Cemas gGmbH eine Verbindung zwischen Impfstatus, Gesinnung und dem Glauben und Verbreiten von Verschwörungstheorien herzustellen. Mit diesen Wissen bilden sie nach eigenen Aussagen auch Gatekeeperaus. Ob man nun die Definition von dem Begriff Gatekeeper aus der Nachrichtenforschung (Einflussnehmer in den Massenmedien) oder die der Soziologie (Personen, die aufgrund Ihrer Position die den Werdegang // Aufstieg von Personen beeinflussen können) zur Hand nimmt, findet anhand dieser Datenerhebung falsche Schlussfolgerungen und eine fehlerhafte Lagebeurteilung statt. 

Die Kritik

Aber zurück zum Thema: Bei der Befragung in Deutschland wurden 2.202 Leute befragt. Deutschland hat 83 Millionen Einwohner, dann hätten bei 8,9 Millionen Einwohnern in Österreich wie viele Leute befragt werden sollen? Lassen Sie uns das per Dreisatz lösen:

83.000.000 / 8.900.000 = 2.202 / x

x = 237

Aber rechnen wir es zur Sicherheit in die andere Richtung, wenn in Österreich 1099 Leute befragt wurden, wie viele Menschen hätten im Verhältnis in Deutschland befragt werden müssen? Auch hier nutzen wir den Dreisatz:

83.000.000 / 8.900.000 = x / 1099

x = 10.250

Es wurden entweder zu viele Personen in Österreich oder eindeutig zu wenig Personen in Deutschland befragt.

„Repräsentativität ist keine Eigenschaft der Erhebungsmethode, sondern bezieht sich darauf, wie die Stichprobe sich zusammensetzt. Statt alle Menschen in Deutschland zu befragen, wird eine Gruppe von Personen ausgewählt, die stellvertretend für alle Deutschen befragt wird. Damit dies möglich ist, sollte die Zusammensetzung der Stichprobe der Grundgesamtheit ähneln. Dies ist allerdings immer nur für gewisse Merkmale möglich, in unserem Fall Alter, Geschlecht und Bundesland.“

Die Cemas gGmbH gibt vor eine repräsentative „Stichprobe“  an der deutschen und österreichischen Bevölkerung mit Hilfe des gewählten Meinungsforschungsinstitutes  vorgenommen zu haben. Die Verteilung innerhalb des Panels sollte der Gesamtbevölkerung entsprechen, dies kann aber nur mit einer Vorauswahl von den Teilnehmern geschehen.

Kann man eine Bevölkerung eines Landes nur am Alter, Geschlecht und Bundesland abbilden? Und wenn es so ist, warum wurden die Geschlechter nur auf zwei begrenzt? Auch wenn die „Diversen“ nur 0,06 % der deutschen Bevölkerung ausmachen, wurden diese ja in der Ampelkoalition mit einem eigenen Staatssekretär bedacht.

Ein weiterer Punkt, der zu bedenken ist, dass bei einem solch heiklen Thema wie Verschwörungstheorien, Reichsbürger und Pandemiebekämpfung eine Stichprobe im Promillebereich wirklich als ausreichend betrachtet werden kann. 

„Eine hohe Stichprobengröße alleine lässt nicht auf Repräsentativität schließen. Man kann beispielsweise in einem Fußballstadium 70.000 Menschen befragen, ob sie Fußball mögen. Die Stichprobe wäre zwar groß, das Ergebnis aber nicht aussagekräftig für die Gesamtbevölkerung. Es können auch kleinere Umfragen repräsentativ sein, allerdings steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit für statistische Fehler, die sogenannte Irrtumswahrscheinlichkeit an.“

Die Frage bei dieser genannten Kausalität ist doch bei dieser Umfrage, ob man anhand einer Frage aus 12 Fragen mit fragwürdigen Framing in diesem Fragebogen eine populistische Kategorisierung der Stichprobe und somit eine Einteilung der gesamten Einwohner von Deutschland bzw. Österreich in Normale, Reichsbürger, Impfgegner und Verschwörungstheoretiker vornehmen darf und kann. Besonders sei hier auch noch die Förderer der Cemas gGmbH genannt. 

„Es gibt unterschiedliche Ansätze ein Thema zu erforschen. Um tiefgreifende Erkenntnisse über einen Gegenstand zu erlangen, reicht eine einzelne Studie nicht aus. Wir haben uns hier dazu entschieden, QAnon sowohl über eine Social MediaAnalyse zu erforschen als auch über eine repräsentative Bevölkerungsumfrage.“

Die von Cemas genannte Social Media Analyse besteht zum einen aus Youtube Kanalabonnentenzahlen, die im Verlaufe der Pandemie zunehmend war und eine Auflistung von Telegramm Kanälen. In der Regel nimmt die Anzahl der Views und Abonnenten mit der Quantität und Qualität der hochgeladenen Videos direkt proportional zu. Also hätte man als Bedrohung auch den Videokanal von Gronkh oder eines x-beliebigen Vloggers betrachten können. Dann kam es zu einer Sperrung von unliebsamen Kanälen mit unbequemen Meinungen. Wir hätten nun beinahe angemerkt, dass sich die Wahrheit immer ihren Weg sucht, deshalb kam es zu der Verwendung der alternativen Publikationsplattform Telegram kam. Bei der Betrachtung der Diagramme ist jedoch auffällig, dass die frühere Reichweite nicht (mehr) erreicht wurde. Wir möchten nun auch nicht weiter auf eine Demonetarisierung von eben solchen nicht linientreuen Kanälen.

Diagramm zu den Aufrugzahlen von Qlobal Change bei Youtube bis zur Sperrung
Das passiert wenn sich die Bevölkerung von den Mainstreammedien schlecht informiert fühlt.
Aufrufzahlen von Qlobal Change nach der Sperrung auf Youtube und dem Wechsel zu Telegram
Wenn sich die "Wahrheit" Ihren Weg sucht. Social Media Posts als Flugblätter des 21. Jahrhunderts?

„Wir können bei einer repräsentativen Umfrage nicht komplett sichergehen, dass Personen, die behaupten, auf den Protesten gewesen zu sein, dies auch wirklich getan haben. Allerdings bietet uns dieser Ansatz die Möglichkeit, Protestbereite und Nichtprotestbereite Menschen miteinander in Bezug auf ihre Einstellungen zu vergleichen.“

Nein das geht so nicht. Wie hätte man wohl sicherstellen können, ob die befragten zum einen wirklich die sind, die sie vorgeben, es ihre Meinung ist und ob die Befragten tatsächlich an den Protesten teilgenommen haben? Richtig, mit einer Face to Face Befragung auf eben solch diesen Protesten. Aber das hätte eine Zufallsumfrage und kein bezahltes „pre-selected“ Panel erfordert. So bedient man sich folgender Begründung:

„Eine Umfrage, die entweder auf Telegram oder bei den Protesten selbst durchgeführt würde, könnte solche Vergleiche nicht leisten. Eine direkte Umfrage auf den Protesten hätte zusätzlich das Problem, dass die soziale Erwünschtheit vermutlich sehr hoch wäre und Menschen nicht offen ihre Meinung sagen würden. Eine Umfrage bei Telegram würde diese Gefahr reduzieren, allerdings wird dort immer wieder zum Boykott oder sogar Manipulation von wissenschaftlichen Studien aufgerufen, was eine zuverlässige Erforschung erschwert. Mit diesen Methodiken wäre eine Auskunft über prozentuale Verteilungen nicht möglich – sondern nur über korrelative Zusammenhänge.“

Kann die Cemas gGmbH diese Aufrufe zum Boykott oder der Manipulation von wissenschaftlichen Studien belegen (mehrere Beweise oder Belege mit den Namen der boykottierten und manipulierten Studien sollten dann kein Problem sein, es wurde ja recherchiert), oder sind dies nur Schutzbehauptungen? Und wer könnte es den Befragten verübeln, wenn anhand 15 Fragen eine Kategorisierung der Bevölkerung stattfindet.

Was schafft nun Wissenschaft

Die Auswertung einer mangelhaften, wenn nicht sogar einer falschen Befragung und deren Schlüsse ist somit falsch und bewusst produziert. Eine empirische Forschung kann anhand der Daten nicht erfolgen und die veröffentlichen Daten und deren Herleitungen sind somit falsch. Die Verwendung einer solcher Studie in den öffentlich-rechtlichen Medien, also dem „Mainstream“ ist mehr als zu hinterfragen.

Es ist davon auszugehen, dass es sich um bei der Veröffentlichung um reinen Populismus, wenn nicht sogar um Proganda handelt. Oder ist es eine Auftragsarbeit der Finanzgeber der Cemas gGmbH? Egal ob sich der Ersteller der Studie „nur“ die Finanzmittel für das Quartal sichern wollte, letztendlich liegt es in der Verantwortung des Medienunternehmen und der Journalisten diese Studie zu hinterfragen, wenn nicht sogar im Rahmen einer Berichterstattung die Studie komplett zu beleuchten.

Auf diese Publikationen stürzen sich dann die Faktenchecker und politische Interessenverbände, um andere Meinungen zu beschneiden oder zu zensieren. Es ist umso verwerflicher, wenn sich hinter den Geldgebern dieser Forschungen, der Geisteswissenschaften, private Interessenverbände und Stiftungen verbergen.

Wenn es dann noch zu der gefährlichen Kombination von gezielter bezahlter „Forschung“ und einem politischen unkritischen Haltungsjournalismus, entsteht so ein „meinungsbildendes und -beeinflussendes Kartell der Zensur“.

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